Wir sind alle so satt, so überfressen, dass wir oft nicht mehr wissen, wohin mit diesem Völlgefühl. Wir gehen in den Supermarkt und finden 10000 Joghurtsorten. Unsere Sinne werden überbeansprucht von der Flut an Informationen, die uns täglich überschwemmt.
Wir tauschen unsere Partner in Internetbörsen aus wie Unterhosen. Wir wechseln die Smartphones wie Windeln. Und wissen manchmal nicht mehr, welche Augenfarbe unser Gegenüber hat, weil wir mehr bei Facebook surfen als in der realen Welt leben.
Auf Kuba ist vieles nicht gut. Es ist ambivalent. Zum Teil dreckig. Laut. Verrückt. Intensiv. Krass. Arm. Aber eines ist mir aufgefallen, eines war offensichtlich. Es gab sehr viel äußere Armut, sehr viel offensichtlich Verwahlostes. Das, was in Deutschland nur manchmal an der Oberfläche kratzt. Aber die Menschen sitzen nachts noch auf den Straßen und unterhalten sich. Sie schauen sich in die Augen. Und nicht auf ihre Smartphones. Sie sind innerlich reich.
Ich habe das geliebt. Nachts durch die Straßen Havannas zu schlendern und noch immer Musik zu hören, Kinder draußen spielen zu sehen und die Alten, die sich auf Gehwegen und Stühlen lautstarke Duelle liefern oder Schach spielen. Es wirkte alles so verbunden. Und auch wenn ich vielem dort kritisch gegenüberstehe und wahrlich nicht alles gutheiße, so vermisse ich das hier in Deutschland. Ich vermisse diese Verbundenheit, diese Wärme.
Ich liebe meine Land, wirklich, das tue ich. Und ich sehe klar die Vorteile, die Deutschland zu bieten hat. Ich liebe deutsche Arztpraxen, die Pünktlichkeit der Züge (nun ja, fast immer) und die deutsche Tugenden wie Ordnung, Zuverlässigkeit und Arbeitsmoral (auch wenn diese schon nachgelassen hat). Ich bin keine von denen, die Deutschland schlecht reden und andere Länder nur idealisieren. Weil ich viel in andern Ländern lange gelebt habe und gerade dadurch meine Heimat zu schätzen weiß. Und doch: immer wenn ich zurückkomme, dann fühle ich mich leer. Fremd. Verloren. Weil mir das Warme fehlt, das Lachende, das Tanzende, Das Liebende. Weil es mir fehlt, fremde Menschen an die Schulter zu fassen und sie wissen, wie ich das meine. Weil es mir fehlt, mit Fremdem sofort ins Gespräch zu kommen und sich freundschaftlich sofort verbunden zu fühlen. Weil es mir fehlt: die Gastfreundschaft, das Heimatliche.
Jeder mit Migrationshintergrund und jeder, der in anderen Ländern gelebt und geliebt hat, kennt dieses Gefühl. Und er kennt auch die Erleichterung, wieder in Deutschland sicher und sauber zu leben. Und trotzdem schlagen diese zwei Herzen auf ewig in meiner Brust. Sie werden immer nebeneinader exisitieren.
Jetzt gerade würde ich am Liebsten wieder nach Kuba zurückgehen. Ich würde wieder tanzen und mich dem Leben hingeben wollen. Nichts machen müssen, nichts organisieren, keinen Terminplaner einrichten, um mich mit jemanden zu treffen. Und morgen werde ich wieder in meinem gemütlichen, warmen Bett aufwachen, mich mit fließendem, warmen Wasser duschen und dankbar sein, in Deutschland zu leben.
Das ist das Leben: zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Und sie dürfen beide nebeneinander exisitieren. Auch wenn es manchmal schwer ist, beide zu lieben und gleich zu behandeln. So hat uns Gott erschaffen. Und so schlagen wir Brücken zwischen diesen vielen Welten.
In Liebe,
Jamila mit den zwei Herzen
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Ayten (Sonntag, 11 Oktober 2015 11:03)
Du sprichst uns aus der Seele und bist die Botschafterin unserer Herzen, danke
Tan Gerius (Dienstag, 13 Oktober 2015 19:21)
Du hast mein tiefes Mitgefühl ... Seelenwesen ;-)